"Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen." Ein passendes Sprichwort für das alltägliche Leben in der Stadt. Massen an Menschen auf kleinem Raum und trotzdem kennen viele nicht einmal den Vornamen ihrer Nachbarn. Von Gemeinschaft ist hier keine Spur – und genau deshalb werden neue Wohnkonzepte wie das Mehrgenerationenhaus immer attraktiver.
Verschiedene Personen unterschiedlichen Alters und Lebensphasen – verwandt oder nicht – nutzen die Vorteile des Zusammenlebens. Und davon gibt es so einige. Von alltäglicher Unterstützung und familiärer Gesellschaft bis hin zu praktischen Aspekten wie der langfristigen Kostenersparnis.
Früher entstanden Mehrgenerationenhäuser ganz natürlich. Ein Paar erwartete Nachwuchs und konnte sich auf die Unterstützung der Großeltern in spe verlassen. So wurde das Elternhaus vom Zwei- zum Dreigenerationenhaus. Die frischgebackenen Eltern erlebten von Anfang an Unterstützung und wurden mit Erziehung, Kinderbetreuung und Bespaßung der Sprösslinge nicht allein gelassen. Die Kleinen wurden älter und halfen dann Oma und Opa im Alltag.
Gerade auf dem Land war dieses Wohnmodell der Standard und Häuser wurden über Generationen hinweg von einer wachsenden Familie genutzt. Es war kosteneffizienter mit den Eltern und Großeltern zu leben – besonders wenn bereits ein Haus vorhanden war – und die Familienmitglieder übernahmen Verantwortung füreinander. Wer sich heute bewusst für das Leben in einem Mehrgenerationenhaus entscheidet, nimmt diese Vorzüge nicht mehr für selbstverständlich.
Jetzt allerdings haben blutsverwandte Familien oft nicht mehr den gleichen Umfang wie noch vor einigen Generationen oder verstreuen sich über den Erdball. Die gemeinschaftliche Wohnform wird daher auch zur interessanten Option für Freunde, Bekannte oder Menschen mit ähnlichen Interessen. Dann finden sich auch schon mal drei Generationen in zwei Wohneinheiten in einem Einfamilienhaus oder Doppelhaus. Das ist zwar ein anderer Wohnkomfort, aber es gibt für die Bewohner beim Mehrgenerationenhaus unterschiedliche Rückzugsmöglichkeiten.
Natürlich hängt die Realisierung und Planung eines Mehrgenerationenhauses davon ab, was schon da ist. Wenn neu gebaut wird, kann mehr selbst entschieden werden. Aber auch ein Bestandshaus bekommt durch entsprechende Anbauten oder Aufstockungen mehr Platz für weitere Generationen. Sowohl bauliche als auch soziale und finanzielle Aspekte spielen eine Rolle bei der Bauweise. Hier einige Gesichtspunkte, die es während der Planung zu klären gilt:
Budgetplanung und Kostentransparenz
Gerade beim umfangreichen Ausbau oder Neubau eines Mehrgenerationenhauses ist eine detaillierte Kostenkalkulation im Vorfeld aufzustellen. Es muss geklärt werden, ob die Baufinanzierung durch mehrere Personen oder einen Einzelnen abgeschlossen wird und wer welches Eigenkapital beisteuert.
Aber auch für den Alltag im Mehrgenerationenhaus sollte geregelt sein, welche Rechnungen und Kosten wie aufgeteilt werden. Dabei muss Transparenz herrschen. Dies betrifft sowohl unerwartete Ausgaben wie etwa Reparaturen, aber auch regelmäßige Kosten. Für letztere empfiehlt es sich unter Umständen separate Zähler für Strom, Wasser und Heizung zu installieren, um Diskussionen über den jeweiligen Verbrauch zu verhindern
Lage und Infrastruktur
Falls noch kein bestehendes Haus oder geeignetes Grundstück feststeht, haben Sie die freie Wahl für den potenziellen Wohnort. Stadt oder Land, Neubausiedlung, Stadtvilla, Fertighaus oder Naturidyll? Bei der Entscheidung müssen die Wünsche und Vorstellungen aller zukünftigen Mitbewohner mit einbezogen werden. Die Wahl sollte aber auch langfristig haltbar bleiben. Von Schulen für die Kleinen über die Nähe zum Arbeitsplatz der Erwachsenen bis zu fußläufigen Senioreneinrichtungen: Bedenken Sie die Bedürfnisse aller Lebensabschnitte.
Gestaltung und Aufteilung
Kein Mehrgenerationenhaus sieht aus wie das andere. Denn auch der gemeinschaftliche Alltag ist individuell. Manche wünschen sich eine gemeinsame Küche für alle, andere ziehen separate vor. Hier heißt es kompromissbereit zu sein, aber das eigene Wohlbefinden nicht zu vernachlässigen. Wer mehr Privatsphäre benötigt, sollte diese auch bekommen.
Da über kurz oder lang ältere Menschen oder Bewohner mit Beeinträchtigungen Teil des Mehrgenerationenhauses werden, planen Sie beim Grundriss ausreichend Platz für barrierefreie Wohn- und Gemeinschaftsräume. Auch frühzeitige Überlegungen zu Pflege- und Unterstützungsstrukturen sind empfehlenswert.
Struktur und Verantwortlichkeiten
Kaum eine Gemeinschaft funktioniert ohne Regeln. Um Konflikte zu vermeiden, werden in Mehrgenerationenhäusern wie auch in anderen Familien oder WGs Verantwortlichkeiten festgelegt. Von Hausarbeitsplänen bis zu finanziellen Verantwortlichkeiten kann und sollte sich jeder einbringen. Dadurch werden das Gemeinschaftsgefühl und die Zusammengehörigkeit gestärkt. Denn jeder wird so akzeptiert und geschätzt, wie er ist und das sollte klar sein.
Zum Start hilft es, gemeinsam folgende Fragen zu stellen und sich auf Antworten zu einigen, die als Grundlage für die Planung des Miteinanders im Mehrgenerationenhaus dienen:
Im Endeffekt kommt es bei der Größe eines Mehrgenerationenhauses auf eine ausgewogene Mischung an, die sowohl genug Raum für Individualität als auch für das Gemeinschaftsleben bietet. Während mehr Mitbewohner weniger Privatsphäre für den Einzelnen bedeutet, ermöglichen sie eine größere Vielfalt an gemeinsamen Aktivitäten und Interaktionen.
Natürlich lässt sich ein Mehrgenerationenhaus auch als Fertighaus bauen. Das bietet viele Vorteile, aber es gibt auch einige Punkte fürs neue gemeinschaftliche Eigenheim zu beachten:
Beim Grundriss zählt jedes Detail. Schließlich gilt es gerade in einem Mehrgenerationenhaus verschiedenste Bedürfnisse zu berücksichtigen. Hier sind einige Grundriss-Ideen für Mehrgenerationenhäuser, die sich in der Praxis als besonders geeignet herausgestellt haben, individuellen Freiraum und kollektive Nähe optimal miteinander zu verbinden.
Bei mehrstöckigen Gebäuden oder nach einem Dachausbau eignet sich eine etagenweise Aufteilung des Mehrgenerationenwohnens. Ältere bewohnen das barrierefreie Erdgeschoss, junge Familien die mittleren Etagen und Studenten oder Singles die Einliegerwohnung im Dachgeschoss. Falls ein entsprechendes Treppenhaus fehlt oder das Haus nicht über genügend Stockwerke verfügt, ist die Aufteilung seitlich. Solche Grundrisse sind besonders praktikabel, da die Zugänge zu den Wohnungen ebenerdig und damit barrierefrei sind.
Falls das Mehrgenerationenwohnen nicht in einem Gebäude, sondern weitläufiger geplant wird, eignet sich ein zentraler Außenbereich zur gemeinsamen Nutzung. Sternförmig angeordnete Bungalows beispielsweise mit einer großen Gartenfläche in der Mitte, ermöglichen soziale Interaktion draußen in Form von Grillen, Gartenarbeit & Co. und trotzdem das Gefühl der eigenen vier Wände.
Ein zentral gelegener Ort für gemeinschaftliche Aktivitäten fungiert als Herz des Hauses, wo alle Generationen zusammenkommen. Besonders beliebt sind hierfür große (ca. 25 – 30 m²), offene, gut ausgestattete Küchen – idealerweise mit Kücheninsel – die zum gemeinsamen Kochen, Essen und Zusammenkommen einladen.
Ein Pavillon im Gemeinschaftsgarten mit Grill, ein geräumiges Spielzimmer mit genügend Tobe-Fläche für alle jungen Bewohner, ein Partykeller mit Bar, Kicker- oder Billardtisch oder gar ein kleines Heimkino mit Beamer und gemütlichen Sesseln. All dies sind mögliche Bereiche, die die Gemeinschaft des Generationenhauses fördern und das Wohnkonzept durch seine offene und großzügige Bauweise besonders machen.
Planen Sie den Grundriss des Mehrgenerationenhauses nicht zu starr. Denn es sollte sich genauso entwickeln können wie dessen Bewohner. Schließlich ist es ein langfristiges Projekt. Auf zukünftige Veränderungen wie Auszüge, Nachwuchs, aber auch Todesfälle kann durch einen flexiblen Grundriss reagiert werden. Rechnen Sie also damit, dass sich das Haus über kurz oder lang verändern wird. Dann ist es gut, Durchbrüche, Raumtrennungen und nötige altersgerechte Umbauten schnell und einfach umsetzen zu können.
Praktische Mehrzweckräume wie ein Arbeitszimmer, das auch als Gästezimmer genutzt werden kann oder ein Sportraum, der gleichzeitig zum Meditieren verwendet wird, bieten Flexibilität und sparen Platz.
Unabhängig davon, ob es schon zu Beginn eine vorhandene Immobilie gibt, ist es ratsam, vor den detaillierten Planungen eine geeignete Rechtsform für die Gemeinschaft im Generationenhaus festzulegen. Diese bestimmt wesentliche Rechte und Pflichten für alle späteren Mitglieder.
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zeichnet sich durch einen geringen administrativen Aufwand aus. Das gemeinsame Zusammenleben im Mehrgenerationenhaus wird zentral über eine schriftliche Zweckbestimmung geregelt. Jedoch haften alle Mitglieder mit ihrem persönlichen Vermögen. Besonders für kleinere Gruppen, die ein Generationenhaus gründen möchten, eignet sich die Gründung einer GbR.
Bei einem Wohnprojekt wie einem Mehrgenerationenhaus ist die Form der Genossenschaft verbreitet. Jedes Mitglied kauft hierbei Genossenschaftsanteile, um ein gemeinsames Vermögen zu schaffen. Häufig richtet sich die Höhe dieser Anteile nach der Größe der jeweiligen Wohnfläche. Entsprechend wird die spätere Nutzungsgebühr, die an die Genossenschaft statt einer Miete gezahlt wird, festgelegt. Da in solchen Genossenschaften für Mehrgenerationenhäuser in der Regel kein Gewinn im Vordergrund steht, liegen die Beiträge häufig unter den Vergleichsmieten. Zusätzlich dazu haben die Genossenschaftsmitglieder oft ein lebenslanges Wohnrecht.
Die Wohneigentümergemeinschaft (WEG) ist eine weitere mögliche Rechtsform bei Mehrgenerationenhäusern. Jedes Mitglied besitzt Eigentum an seiner eigenen Wohneinheit und hält zudem Anteile am gemeinsamen Wohneigentum wie bspw. Keller, Dach oder Gemeinschaftsgarten. Eine Hausverwaltung ist für den täglichen Betrieb verantwortlich.
Doch für eine nachhaltige Gemeinschaft birgt diese Struktur des Generationenwohnens einen Nachteil: Die Wohneinheiten können nämlich individuell verkauft oder vermietet werden, sodass potenziell Änderungen in der Hausbelegung stattfinden. Um diesem Szenario vorzubeugen, wird in einer Teilungserklärung häufig ein Mitspracherecht festgehalten. So können – triftige Gründe und der Eintragung im Grundbuch vorausgesetzt – die anderen Eigentümer ihre Zustimmung für die Veräußerung verweigern.
Die Kosten für ein Mehrgenerationenhaus variieren stark, abhängig von einer Reihe von Faktoren wie Lage, Größe, Ausstattung und dem angestrebten Standard. Folgend sind einige durchschnittliche Angaben, die Ihnen einen ersten Anhaltspunkt für die Kalkulation bieten können.
Generell lässt sich, wie bei anderen Immobilien auch, sagen: Je mehr Eigenkapital vorhanden ist, desto höher ist in der Regel der gewährte Kredit. So wird der Erwerb einer größeren Immobilie zum Generationenwohnen durch die Bündelung von Eigenkapital der Bewohner ermöglicht.
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Potenziell können bei der Finanzierung eines Mehrgenerationenhauses mehrere Einkommen zur Zahlung der Hauskreditraten beitragen. Neben Einkommen aus der Erwerbstätigkeit werden bei manchen Banken auch Renten- oder Pensionszahlungen der älteren Generation anerkannt. Zwar setzen einige Banken ein Höchstalter für eine Baufinanzierung an, da Rentner das Mehrgenerationenhaus jedoch nicht allein, sondern gemeinsam mit ihren Kindern oder anderen Jüngeren finanzieren, sind sie teilweise bereit, das Renteneinkommen bei der Finanzierung zu berücksichtigen und den Kreditrahmen entsprechend anzupassen. Im Zuge einer Baufinanzierungsberatung wird Ihnen dies in aller Ruhe erklärt. Gehen Sie gemeinsam mit einem Experten die verschiedenen Möglichkeiten zur Finanzierung des Generationenhauses durch, um die für Sie beste Option zu wählen.
Eine klare Erbregelung ist bei der Immobilienfinanzierung notwendig. Wenn Großeltern weitere Erben haben, die nicht in das Haus einziehen, könnte die Bank sie möglicherweise nicht als Kreditnehmer akzeptieren. In solchen Fällen dürfen die Großeltern oft nicht als Eigentümer im Grundbuch verzeichnet werden. Der Grund: Im Todesfall könnten Erbansprüche die Rechtslage verkomplizieren, was für Kreditgeber bei Zahlungsausfällen riskant werden könnte.
Mehrgenerationenhäuser sind mehr als nur eine clevere Art der Raumgestaltung. Sie sind eine echte Antwort auf aktuelle soziale Herausforderungen wie Einsamkeit und die Schwierigkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Durch das Zusammenleben unter einem Dach profitieren alle Generationen: Kinder haben immer Ansprechpartner, Erwachsene teilen sich die Verantwortungen und Ältere bleiben länger fit und eingebunden.
Wirtschaftlich macht es ebenfalls Sinn. Durch die gemeinsame Nutzung von Räumen und Ressourcen, durch Synergien in der Alltagsgestaltung sowie die Möglichkeit der ständigen gegenseitigen Unterstützung wird eine finanzielle Entlastung für alle Generationen erzielt.