Sie haben Ihr Traumhaus gefunden und plötzlich meldet sich jemand, der Anspruch auf die Immobilie erhebt. Das Vorkaufsrecht kann Kaufpläne durchkreuzen und für Unsicherheit sorgen. In diesem Ratgeber erfahren Sie, wie es funktioniert, welche Arten es gibt und wie Sie sich als Käufer am besten absichern.
Vorkaufsrecht im Schnelldurchlauf
- Das Vorkaufsrecht erlaubt es bestimmten Personen, beim Immobilienverkauf den Vortritt zu bekommen, obwohl bereits ein Kaufvertrag mit einem Dritten steht.
- Innerhalb einer bestimmten Frist muss der Vorkaufsberechtigte sich entscheiden, ob er den Vertrag übernimmt und die Immobilie selbst kauft oder zurücktritt.
- Das Recht kann Risiko und Chance zugleich sein: Während Käufer ihr Traumhaus verlieren können, haben Berechtigte die Möglichkeit, eine Immobilie zu identischen Konditionen zu erwerben.
Was bedeutet Vorkaufsrecht bei Immobilien?
Das Vorkaufsrecht gibt einer bestimmten Person, Gemeinde oder Stadt das Privileg, beim Verkauf eines Grundstücks oder einer Immobilie vorrangig vor anderen Interessenten zuzuschlagen. Geregelt ist es in den §§ 463 ff. BGB.
Wenn es einen Vorkaufsberechtigten gibt, wird dieser in der Regel zuerst gefragt, ob das Vorkaufsrecht genutzt wird – bevor es zum Kaufvertrag kommt.
Vorkaufsrecht vs. Optionsrecht
Beim sogenannten Optionsrecht darf der Berechtigte den Kauf sogar jederzeit verlangen, nicht erst dann, wenn mit einem Dritten ein Vertrag geschlossen wurde.
Wo liegt der Unterschied zwischen Vorkaufsrecht, Vorvertrag und Reservierungsvereinbarung?
Beim Immobilienkauf gibt es weitere ähnliche Konstrukte, von deren das Vorkaufsrecht abzugrenzen ist:
- Vorkaufsrecht: Der Berechtigte darf dann kaufen, wenn der Eigentümer die Immobilie an jemand anderen verkaufen will. Er tritt also zu denselben Bedingungen in den bereits ausgehandelten Vertrag ein.
- Vorvertrag: Käufer und Verkäufer verpflichten sich, später einen Hauptkaufvertrag abzuschließen. Der Vorvertrag ist rechtlich bindend. Bricht eine Seite den Vertrag, drohen Schadensersatzforderungen.
- Reservierungsvereinbarung: Häufig von Maklern angeboten. Die Vereinbarung soll die Immobilie für einen Interessenten „freihalten“, bis der Kaufvertrag steht. Juristisch ist das aber meist schwach abgesichert und oft auch nur gegen eine kleine Reservierungsgebühr.
Arten des Vorkaufsrechts im Überblick
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen 3 Formen des Vorkaufsrechts: dinglich, schuldrechtlich und gesetzlich. Entscheidend ist, wer das Recht hat und wie es abgesichert ist.
Dingliches Vorkaufsrecht
Das dingliche Vorkaufsrecht wird im Grundbuch eingetragen. Es ist damit fest mit der Immobilie verbunden und gilt auch dann, wenn der Eigentümer wechselt. Wenn Sie also ein Haus oder Grundstück kaufen, bei dem ein Vorkaufsrecht eingetragen ist, müssen Sie damit rechnen, dass der Berechtigte einspringt.
Schuldrechtliches Vorkaufsrecht
Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien, z. B. zwischen Familienangehörigen. Es ist nicht im Grundbuch verankert und bindet nur die Vertragspartner. Für Käufer kann das tückisch sein, weil das Vorkaufsrecht nicht immer sofort erkennbar ist.
Gesetzliches Vorkaufsrecht
Das Gesetz räumt bestimmten Gruppen automatisch ein Vorkaufsrecht ein. Typische Fälle sind:
- Vorkaufsrecht für Mieter: Diese haben bei der Umwandlung ihrer Miet- in eine Eigentumswohnung ein Vorkaufsrecht (§ 577 BGB). Das Vorkaufsrecht gilt jedoch nicht, wenn der Vermieter an seine Familienangehörige verkaufen möchte.
- Vorkaufsrecht der Gemeinde (Kommunales Vorkaufsrecht): Sie können Grundstücke unter bestimmten Voraussetzungen selbst erwerben, etwa zur Sicherung von Bauprojekten (§§ 24–28 BauGB). Mit der BauGB-Novellen 2021/2023 und der aktuellen Rechtsprechung wurden die Anwendungsfälle jedoch enger gefasst, so dass die Umsetzung des Rechts zurückgegangen ist.
- Vorkaufsrecht für Erben: Bei einer Erbengemeinschaft dürfen Erben vorrangig kaufen, wenn der Miterbe seinen Anteil an Dritte veräußern will (§ 2034 BGB). Achtung: Das Vorkaufsrecht bei Erbengemeinschaften gilt ausschließlich für die Veräußerung von Erbanteilen, nicht für das gesamte Grundstück selbst.
Vorkaufsrecht im Grundbuch – so erkennen Sie den Eintrag
Eingetragen wird ein dingliches Vorkaufsrecht in Abteilung II des Grundbuchs (Belastungen und Beschränkungen). Die typische Formulierung lautet: „Vorkaufsrecht für … gemäß § 1094 BGB“.
Ablauf und Ausübung: So funktioniert das Vorkaufsrecht
Der Ablauf sieht bei einem Vorkaufsrecht typischerweise so aus:
- Verkäufer und Käufer schließen einen Kaufvertrag.
- Der Verkäufer teilt dem Vorkaufsberechtigten den vollständigen Vertragsinhalt mit (meist über den Notar).
- Der Berechtigte kann sein Recht innerhalb der Frist erklären. Bei Grundstücken und beim Mieter-Vorkaufsrecht sind das in der Regel bis zu 2 Monate (u. a. §§ 469 BGB, 577 BGB; kommunal nach BauGB ebenfalls 2 Monate). Ist für die Ausübung eine bestimmte Frist vertraglich bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.
- Mit einer Vorkaufserklärung bestätigt der Berechtigte fristgerecht die Ausübung; damit kommt ein Kaufvertrag zu denselben Bedingungen mit ihm zustande (§§ 463 ff. BGB).
- Der Vertrag mit dem ursprünglichen Käufer ist hinfällig. Die Übereignung erfolgt mit dem Berechtigten.
Übt der Vorkaufberechtigte sein Recht also fristgerecht aus, kommt der Kauf zu denselben Bedingungen mit ihm zustande. Für den ursprünglichen Käufer bedeutet das: Vertrag hin oder her – er geht leer aus. Bleibt die Erklärung aus, ist der Weg frei und der Kauf kann wie geplant abgewickelt werden.
Solange die Frist läuft, gibt es keine endgültige Sicherheit. Auch Banken halten ihre Finanzierungszusage oft zurück, bis ein Negativattest bzw. Negativzeugnis vorliegt – also die Bestätigung, dass kein Vorkaufsrecht ausgeübt wurde.
Maklerprovision bei Vorkaufsrecht?
Achtung: Wird das Vorkaufsrecht ausgeübt, kann für den ursprünglichen Käufer trotz verlorenem Kauf die Maklercourtage fällig werden. Der Makler hat seine Pflicht erfüllt: Er hat den Vertrag vermittelt, deshalb bleibt der Provisionsanspruch in der Regel bestehen. Nur wenn vertraglich ausdrücklich vereinbart ist, dass die Provision ausschließlich bei Eigentumsübergang gezahlt wird, entfällt sie. Achten Sie darauf im Maklervertrag.
Vor- und Nachteile des Vorkaufsrechts
Das Vorkaufsrecht muss nicht zwangsläufig ein Schreckgespenst sein. Je nach Perspektive bringt es unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich.
Für Käufer
Das größte Risiko: Sie verlieren die Immobilie, obwohl der Kaufvertrag schon unterschrieben ist. Bis die Ausübungsfrist abgelaufen ist, ist der Vertrag schwebend unwirksam und alles bleibt unsicher – von der Finanzierung bis hin zum Umzug.
Ein Vorkaufsrecht kann für Käufer aber auch ein Vorteil sein, z. B. dann, wenn Sie als Mieter Ihre Wohnung oder Ihr Haus zu denselben Bedingungen übernehmen dürfen, die ein Dritter ausgehandelt hat. Oder wenn Sie Ihr Traumhaus gefunden haben und Ihnen eine Reservierungsvereinbarung nicht ausreicht. Dann können Sie mit dem Verkäufer ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht vereinbaren. Das gibt Ihnen die Sicherheit, bei einem späteren Verkauf vorrangig zum Zug zu kommen. Noch stärker ist ein mit Mehrkosten verbundenes dingliches Vorkaufsrecht, das ins Grundbuch eingetragen wird. Dann bleibt Ihr Recht auch bestehen, wenn der Eigentümer wechselt. Wichtig: Beide Varianten ersetzen keinen Kaufvertrag. Sie sichern lediglich ab, dass Sie beim nächsten Verkauf den Vortritt haben.
Für Verkäufer
Für Verkäufer bedeutet ein bestehendes Vorkaufsrecht in erster Linie Verzögerung und Unsicherheit. Erst wenn der Berechtigte verzichtet oder die Frist abläuft, ist klar, wer tatsächlich Käufer wird. Ignorieren oder übergehen darf man das Recht nicht, sonst drohen Schadensersatzforderungen.
Für Berechtigte
Der Vorkaufsberechtigte hat die Chance, eine Immobilie zu denselben Konditionen zu erwerben, die ein Dritter bereits ausgehandelt hat. Das ist ein starkes Privileg. Allerdings gilt: Ohne gesicherte Finanzierung bringt dieses Recht nichts. Wer die Frist verstreichen lässt, verliert die Gelegenheit endgültig.
Handlungsempfehlungen für Immobilienkäufer
Damit das Vorkaufsrecht für Sie nicht zur bösen Überraschung wird, lohnt es sich, frühzeitig Klarheit zu schaffen. Hier die Tipps von Wohnen und Finanzieren:
- Immer einen aktuellen Grundbuchauszug einsehen, bevor Sie unterschreiben.
- Im Kaufvertrag auf eine aufschiebende Bedingung achten: Erst nach Verzicht oder Fristablauf wird er endgültig wirksam.
- Mit der Bank klären, dass die Finanzierung auch bei Verzögerung 2 Monate länger stehen bleibt.
Häufige Fragen zum Vorkaufsrecht
Gilt das Vorkaufsrecht automatisch bei Nachbarn?
Nein. Nachbarn haben kein gesetzliches Vorkaufsrecht, auch nicht bei landwirtschaftlichen Flächen. Ein solches Recht muss ausdrücklich vereinbart und idealerweise als dingliches Vorkaufsrecht im Grundbuch gesichert werden.
Gilt das Vorkaufsrecht bei Zwangsversteigerung?
Bei einer klassischen Zwangsversteigerung greift es nicht. In einer Teilungsversteigerung unter Miterben hingegen schon: Dort können Erben ihr gesetzliches Vorkaufsrecht nutzen.
Gilt das Vorkaufsrecht bei Investoren, Bauträgern und Projektentwicklern?
Nur, wenn es vertraglich vereinbart wurde. Bauträger sichern sich so oft Flächen für die Zukunft. Für private Käufer ist das nur relevant, wenn in Neubaugebieten bereits solche Rechte bestehen.
Wann erlischt ein Vorkaufsrecht?
Ein Vorkaufsrecht erlischt, wenn es ausgeübt wurde, wenn die Frist abläuft, wenn der Berechtigte ausdrücklich verzichtet oder wenn es im Grundbuch gelöscht wird.
Erlischt ein Vorkaufsrecht bei Erbschaft?
Nein. Ein dingliches Vorkaufsrecht bleibt bestehen und geht auch bei Erbschaft auf die Rechtsnachfolger über.
Vorkaufsrecht unter Geschwistern – geht das?
Geschwister können schuldrechtlich ein Vorkaufsrecht vereinbaren. Bei einer Erbengemeinschaft gilt außerdem das gesetzliche Vorkaufsrecht, wenn ein Erbe seinen Anteil verkauft.
Gilt ein Vorkaufsrecht auch bei Schenkungen?
Nein. Das Recht greift nur, wenn ein Kaufvertrag zustande kommt. Schenkungen oder Übertragungen innerhalb der Familie fallen nicht darunter. Wenn Sie z. B. Ihrem Kind Ihre Wohnung schenken, spielt ein bestehendes Vorkaufsrecht keine Rolle. Der Berechtigte kann dann nicht verlangen, die Immobilie selbst zu bekommen. Ihr Kind wird Eigentümer.
Was passiert, wenn das Vorkaufsrecht übergangen wird?
Dann kann der Berechtigte Schadensersatz verlangen oder in manchen Fällen sogar die Eigentumsübertragung anfechten. Verkäufer riskieren hier ernsthafte rechtliche Folgen.
Kann man ein Vorkaufsrecht abkaufen oder aufheben?
Ja. Schuldrechtliche Vorkaufsrechte können durch eine schriftliche Vereinbarung der Vertragsparteien aufgehoben oder abgegolten werden, beispielsweise durch die Zahlung einer Abfindung. Ein dingliches Vorkaufsrecht muss durch Löschung im Grundbuch beendet werden. Dazu ist die Zustimmung des Berechtigten nötig, ebenfalls oft gegen eine Abfindung.
Welche steuerlichen Folgen hat die Ausübung des Vorkaufsrechts?
Für den Berechtigten gelten dieselben steuerlichen Konsequenzen wie für jeden anderen Käufer: Grunderwerbsteuer, Notarkosten und Grundbuchkosten fallen ganz normal an.
Was, wenn der verhandelte Kaufpreis für den Berechtigten zu hoch ist?
Der Vorkaufsberechtigte muss den Kaufvertrag eins zu eins übernehmen. Findet er den Preis überzogen, kann er das Recht nicht zu besseren Konditionen ausüben. Er muss sich entscheiden: kaufen oder verzichten.
Was kostet ein Vorkaufsrecht?
Die Kosten hängen davon ab, um welche Art von Vorkaufsrecht es sich handelt:
- Schuldrechtliches Vorkaufsrecht: Wird per Vertrag vereinbart. Hier fallen in der Regel nur Notarkosten für die Beurkundung an, wenn man es rechtssicher gestalten will. Diese richten sich nach dem Geschäftswert (§§ 97 ff. GNotKG) und liegen meist im unteren bis mittleren dreistelligen Bereich.
- Dingliches Vorkaufsrecht: Muss zusätzlich ins Grundbuch eingetragen werden. Dafür entstehen neben den Notarkosten auch Grundbuchgebühren. Die Grundbuchgebühren orientieren sich ebenfalls am Geschäftswert gemäß § 32 GNotKG und betragen zusammen mit den Notar- und Eintragungskosten üblicherweise insgesamt zwischen 200 und 500 €. Wird das dingliche Vorkaufsrecht für teurere Immobilienwerte vereinbart, fallen die Kosten entsprechend höher aus.
- Beim gesetzlichen Vorkaufsrecht fallen keine speziellen Kosten an, da es automatisch durch Gesetz entsteht und nicht beurkundet oder eingetragen werden muss.
Kann ein Vorkaufsrecht den Immobilienwert mindern?
Ja. Ein Vorkaufsrecht (insbesondere, wenn es als dingliches Recht im Grundbuch eingetragen ist) kann den Marktwert einer Immobilie senken, weil es den Käuferkreis einschränkt und Unsicherheit schafft. Auch in der professionellen Immobilienbewertung wird ein bestehendes (dingliches) Vorkaufsrecht bei der Wertermittlung regelmäßig als wertmindernder Faktor berücksichtigt, da es die Verkehrsfähigkeit des Objekts einschränken kann.
Aber: In einem Immobilienmarkt mit hoher Nachfrage und wenig verfügbarem Angebot kann das Interesse an einem Haus trotz eines bestehenden Vorkaufsrechts weiterhin groß bleiben. Für viele Käufer spielt das Risiko, dass ein Dritter das Vorkaufsrecht ausübt, eine kleinere Rolle, wenn attraktive Objekte selten sind.
 
                      
                      
                       
	                   
          